Im Wirtschafts-Silo
oder: Inhalte vom “Tag des Wirtschaftsjournalismus”, Teil 5
Extra für den „Tag des Wirtschaftsjournalismus“ hatten die Berater von Roland Berger eine kleine Studie über die „Zukunft der Wirtschaftsmedien“ angefertigt, die Burkhard Schwenker vorstellte (Download der Folien hier). Befragt worden waren dazu rund 100 Medienmacher und Entscheider, und zwar in Form von Interviews und Gesprächen, ohne klaren Fragenkatalog. Dabei habe sich gezeigt, so Schwenker, dass „die Wirtschaftsberichterstattung ein stiller, aber auch einsamer Riese ist“. Er sei in den Zeitungen ein Leuchtturm, weil er viele Anzeigen bringe, aber auch ein Silo, weil sich der Wirtschaftsteil häufig selbst genug sei und davon ausgehe, dass die Leser schon wüssten, was ein EBITDA ist.
Einen großen Unterschied zwischen Machern und Lesern gibt es bei der Einschätzung der größten Probleme. Dort würden die Macher vor allem „schlechte Recherche“ (46 Prozent) bemängeln, während die andere Seite „tendenziöse Berichterstattung“ kritisiert (50 Prozent). Schwenker hob hervor, dass besonders in der Wirtschaftsberichterstattung alles, was nicht ganz richtig sei, eben falsch sei und Spekulationen gefährlicher als in anderen Ressorts seien. Er kritisierte auch, dass zu oft keine Quellen genannt würden, obwohl dies gefahrlos und ohne Verletzung des Quellenschutzes möglich sei. „Das schadet der Glaubwürdigkeit“, so Schwenker. Bei der Bewertung der Qualität spiele für die Befragten überraschenderweise die Themenvielfalt keine Rolle, sondern entscheidend sei die Qualität des einzelnen Artikels. Er sehe die Zukunftschancen in der „analysierenden Kompetenz“ und der „Recherchetiefe“ der Wirtschaftsmedien.
Dabei verlangten die befragten Entscheider schon eine gewisse Quadratur des Kreises. Si wollten hohe Qualität und hervorragende Analysen bei maximaler Schnelligkeit des Mediums. Dies klinge, so Schwenker, schon nach „Reflexion bitte, aber schnell!“ Zugleich kritisierten die Befragten „Überhitzung“ der Medienberichterstattung als größtes Problem.
Kritisiert wurde auch die „Dominanz der Nachrichtenlage“, stattdessen wurden spannende Geschichten gefordert. Zugleich wollten die Entscheider gerne mehr Beiträge zu Managementthemen, dagegen spielten Verbraucherthemene keine Rolle. Bei den Medienmachern war die Bewertung genau andersherum. Etwas überraschend: Die Leser wollen über Inhalte stolpern, von denen sie bis dahin nicht einmal wussten, dass sie als Problem existieren. Dies stehe durchaus im Widerspruch zur Personalisierung von Medieninhalten, weil dann nur noch das geliefert wird, was bestellt wurde.
Schwenker appellierte an die Wirtschaftsjournalisten, dass zur Wirtschaft auch die Wirtschaftspolitik und die Wirtschaftskritik gehöre (zum Beispiel „Attac“). Bisher komme dies meist aus anderen Ressorts wie Politik oder Feuilleton, das sollte sich ändern. Zugleich empfahl er ein „Gegenprogramm zum Fachiditiotentum“; der einfache Mann auf der Straße müsse einen Wirtschafts-Text verstehen können, zugleich müsse er dem Experten aber noch etwas Neues bieten und interessant zu lesen sein.
Die Bedrohung durch das Internet und Web 2.0 sei vielleicht für den Wirtschaftsjournalismus kleiner als gedacht. Man solle mal genau hinschauen, forderte Schwenker: „Es gibt keine Youtube-Rubrik Wirtschaft.“ Das Thema komme dort schlicht nicht vor.