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== Andreas Streim ==
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I am a digital resident and this is my ~

Kopfspaltereien

Es gibt Sätze, die hört man im Tagesverlauf und versteht sofort, was gemeint ist. Aber trotzdem geht einem dann dieser Satz im Kopf herum, hin und her. Und man fragt sich: Was heißt das eigentlich wirklich? Und wie geht das? “Das solltest Du Dir aus dem Kopf schlagen” ist ein solcher Satz.

Mal abgesehen davon, dass eine solche hübsche Formulierung zu benutzen statt einem schnöden “vergiss es” für jemanden aus meiner Generation (30plus) ja schon so bemerkenswert ist, dass man trotz der ja irgendwie ein bisschen negativen Konnotation einen Luftsprung der Freude ausführen wollen täte und den Sprecher mal richtig abknutschen könnte, bleibt die Formulierung irgendwie rätselhaft.

Denn: Wie vergisst man (willentlich)? Das ist schon schwer genug. Und wie schlägt man sich denn eigentlich etwas aus dem Kopf?

Meine erste Assoziation war nicht wirklich zielführend

Zidane

denn da geht es zwar auch um den Kopf und schlagen, aber eher mit dem Kopf schlagen, als aus dem Kopf schlagen.

Auch der zweite Gedanke erscheint mir nicht so

Axt im Kopf

als ob er wirklich (ausschließlich) zum erwünschten Ziel führen würde. Aber wozu gibt es denn Google?

Immerhin beruhigt mich, dass auch die GEW bereits erkannt hat, dass nicht jeder versteht, was mit “aus dem Kopf schlagen” genau gemeint sein soll.

Dank Google stößt man aber auf eine Seite, auf der angeblich Redensarten erklärt werden. Dort heißt es allerdings auch nur recht lapidar

eine Idee / ein Vorhaben aufgeben; einen Plan fallen lassen

Aber auch wenn ich die neue Tocotronic-Scheibe “Kapitulation” ja ganz prima finde, es “aufgeben” sich mal so richtig plastisch vorgestellt auch nicht einfacher als “aus dem Kopf schlagen”. Und um etwas fallenzulassen muss man es erst mal so richtig in der Hand halten (und außerdem bleibt ganz p.c. die Frage: wer hebt denn dann den Müll wieder auf? Und was macht der am Ende damit?). A

Auch der nächste Link liefert keine praxistaugliche Antwort auf meine Problemstellung, aber immerhin weiß ich jetzt, dass die Redewendung auf berlinerisch

“Mach’ dir det ab”

lautet. Das macht es aber nicht wirklich einfacher. Was macht man ab? Und wovon? Und, ja, eben, wie? Also lieber wieder zurück zum Kopf und dem schlagen. Aber auch in so einer Abhandlung über den Kopf als solchen steht nicht, wie das gehen könnte. Hat sich das möglicherweise noch nie jemand überlegt? Bin ich der erste?

Aber offenbar beschäftigt man sich auch in anderen Ländern damit, auf Spanisch heißt es “Sacarse algo de la cabeza, olvidarse de algo”, auf Italienisch “Se lo tolga dalla testa!”, auf Norwegisch offenbar “Skyte en lang pil etter noe” und auf Englisch “to put something out of one’s mind”. Auf Russisch ist es leider hier nicht darstellbar.

Vielleicht sollte ich mal auf Englisch suchen, schließlich ist das Internet ja doch überwiegend mit Worten dieser Sprache gefüllt. Aber da kommt gleich ziemlich harter Psycho-Tobak in dem es irgendwie rund um Freud heißt:

Freud says that… repression is one of the strongest and most regularly used defense mechanisms because it is easier to put something out of one’s mind, than to try to ignore it (Wood 433).

Irgendwie, so befürchte ich, beantwortet das meine Ausgangsfrage selbst bei Lektüre aller angegebener Quellen eher nicht. Sachdienliche Hinweise können gerne im Kommentarfeld unten abgegeben werden.

Bis dahin bleibt wohl nur der japanische Weg, der immerhin hübsch aufgezeichnet ist:

Ohrfeige

Aber das ist dann auch eher ein “sich aus dem Kopf schlagen lassen”. Zugegeben, immerhin ist sofort ersichtlich, wie’s gehen könnte. Doch will man das wirklich?

Naja, oder man behält’s halt doch im Kopf, wenn einem keiner sagt, wie’s gehen könnte. Und schaut, was wird.

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