Nachrichtenaufbereitung
Es gibt diese Momente, da sitzt man als Journalist mit ganz vielen anderen Journalisten in einem Raum und hört drei oder vier Leuten zu, die am anderen Ende des Raumes hinter einem Tisch sitzen und etwas, nun ja, Wichtiges erzählen. Zum Beispiel, dass das Land Berlin seine Sparkasse verkauft. Oder etwas ähnliches. In solchen Momenten fragt man sich manchmal schon, warum hier eigentlich 50 Leute zuhören, um das dann aufzuschreiben, aufzusprechen, einzusprechen - und ob nicht manchmal ein paar weniger auch reichen würden.
Und dann gibt es die Momente wo man denkt, dass es doch wieder ganz gut ist, dass viele Journalisten an der Nachrichtenproduktion beteiligt sind. Zum Beispiel wenn am Freitag eine Pressemitteilung ins Haus flattert, laut der 28 von 29 märkischen Stromversorgern zum 1. Juli die Preise erhöhen. Dann gibt es Journalisten, die sagen: “Häh? Kann doch gar nicht sein. Die Stadtwerke Potsdam zum Beispiel und Eon-Edis erhöhen nicht, auch nicht die Stadtwerke Neuruppin.” Also kann mit der Pressemitteilung irgendwas nicht stimmen. Und es gibt Journalisten die sagen: “Boah. Das ist ja interessant. Das drucken wir mal so ins Blatt.”
Und im Ergebnis wird das Thema in der einen Zeitung dann zunächst in der Samstags-Ausgabe als Glosse so aufbereitet
Abgeschrieben
Antje Schroeder
Unter Schülern gilt es als clever. Ein Held ist, wer möglichst wenig selber lernt, sondern alles vom Nachbarn oder sogar vom Vordermann abschreibt. Spätestens im Wirtschaftsleben angelangt, sollte der Mensch aber solche Gepflogenheiten ablegen. Schließlich erfordert die Bewertung und Verbreitung von Informationen ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit. Oder? Dass nun auch schon seriöse Institutionen voneinander abschreiben, hätten wir dann doch nicht gedacht. So geschehen mit der Nachricht, dass angeblich 28 von 29 Brandenburger Stromversorgern ab Juli ihre Preise erhöhen, wie uns mehrere Sprecher gestern empört mitteilten. Allerdings halten mindestens vier Versorger ihre Preise stabil, wie eine Schnellrecherche ergab. Andere erhöhen die Entgelte erst im September. Heraus kam am Ende, dass der Wirtschaftsverband die Information von einer großen Partei im Lande hatte. Die aber hatte es auch nicht selbst herausgefunden, sondern von der Verbraucherzentrale. Da war aber am Nachmittag niemand mehr zu erreichen. Lieber Leser, da sind auch wir mit unserem Latein am Ende. Wir schreiben nämlich nie ab. Ehrlich.
in der anderen kommt es auf Seite 1 (aber erst am Montag)
Kontrolle weg – Strom teurer
Märkische Versorger erhöhen nach Ende der Genehmigungspflicht Preise / BBU: Kunden sollen wechseln
Potsdam/Berlin - Kaum müssen sich die Stromkonzerne Preiserhöhungen nicht mehr von den Landesregierungen genehmigen lassen, steigen die Preise. 28 von 29 märkischen Stromlieferanten heben nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) pünktlich zum Auslaufen der Genehmigungspflicht ihre Preise teils drastisch an.
Die Versorger mussten bislang neue Peise drei Monate im Voraus vom Wirtschaftsministerium des jeweiligen Bundeslandes genehmigen lassen. Seit dem 1. Juli ist diese Regelung nicht mehr in Kraft. Stattdessen sollen die Kartellbehörden im Nachhinein tätig werden und leichter gegen Marktmissbrauch vorgehen können. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Jungahnns (CDU9 hatte sich massiv für die neue Regelung eingesetzt.
BBU-Vorstand Ludwig Burkardt sagte am Sonntag gegenüber den PNN, die neue Runde bei den Strompreisen zeige, dass die Freigabe der Strompreise durch die Politik „der befürchtete Fehler war“. (…)