Journalistenschelte
Es gab Zeiten, da war “XYZ ist jetzt auch im Internet” eine Nachricht. Das war die Zeit, als eine eigene Domain irgendwie noch unerschwinglich und nicht für einen Euro überall zu erwerben war. Heute wäre “Hey, unsere Firma ist im Internet” nicht mal mehr ein müdes Lächeln wert. Allenfalls eine Glosse darüber - wie jemand es so lange außerhalb des digitalen Raums ausgehalten hat. Und, wenn man ehrlich ist, genervt haben diese Mitteilungen von Firmen, Vereinen oder Clubs, die kein Mensch vorher (und nachher) kannte ja auch.
Heute geht das Ganze noch eine Runde, hmmm, tiefer? Simpler? Der Deutsche Journalistenverband (DJV), bei dem ich Mitglied bin, schickt heute tatsächlich eine Pressemitteilung raus, die mit diesem denkwürdigen Satz beginnt: “Mit einer neuen Menüführung, einer verbesserten Suchfunktion und einem direkten Zugang zum Mitgliederbereich präsentiert sich seit heute die DJV-Homepage.”
Hab’ natürlich gleich nachgeschaut. Und ist tatsächlich eine hübsche, aufgeräumte Homepage. Gut, dass das jetzt mal über den großen Verteiler gegangen ist. Und immerhin wird das unsägliche DJV-Blog Pressefreiheit nicht mehr verlinkt, zumindest nicht so, dass man es mal eben finden kann. Aber meinen Ratschlag hat man sich noch nicht zu Herzen genommen, sondern es gibt das DJV-Blog immer noch. Der letzte Eintrag datiert vom 20. März 2008. Das sind jetzt fast vier Monate. So steht es also mit der Pressefreiheit. Und ihrem Stellenwert im DJV.
Aber auf der gerelaunchten (sagt man doch so, ne?) DJV-Seite gibt’s einen interessanten Link zu einem anderen DJV-Blog, dem “freien info”. Liest sich so beim Schnelldurchlauf ganz gut, finde ich. Allerdings gibt es da auch diesen Artikel über den Milchstreik & die Journalisten, in dem es heißt:
Das ZDF hatte in einer seiner Nachrichtensendungen nichts Besseres zu tun, als einen Redakteur der Lebensmittelzeitung als einzigen Interviewpartner zum Thema Milchboykott zu befragen, der sich prompt gegen den Milchstreik aussprach. Und die F.A.Z. brachte auf der Titelseite einen kalten Kommentar, in dem man zwar großzügig den Bauern das Recht zusprach, sich für Preise einzusetzen. Aber Molkereien zu blockieren, das ginge ein bißchen zu weit, erinnerte die F.A.Z. ganz im altväterlichen Tonfall von “Notar Bolamus”, den einstmals Franz Josef Degenhardt zu besingen wusste. Aber all dies war nicht überraschend: Denn hier berichteten nicht so sehr verständige Journalisten über Milchbauern, sondern vor allem abgesicherte Angestellte über Selbständige, von deren wirtschaftlichem Alltag sie einfach gar nichts wissen wollten.
So von Kollege zu Kollege: Das heißt dann, über Mittelstand & Großkonzerne berichten ab jetzt bitte nur noch die freien Mitarbeiter in den Zeitungshäusern? Und wenn es um den nächsten Tarifkonflikt von Verdi oder IG Metall geht, dann bleiben die Freien zu Hause und lassen die Redakteure ran, denn was wissen schon selbstständige Freie vom gewerkschaftlich organisierten Kampf? Richtig verstanden?
Und mal weitergedacht: Was weiß eigentlich schon der Journalist - freier oder unfreier - von der Arbeit eines Arztes? Wie wäre es, Gesundheitsthemen nur noch von studierten Medizinern bearbeiten zu lassen? Und über Akws schreiben nur noch Ingenieure?
Nein, lieber Kollege, bei allem Respekt für die Kritik an einzelnen Beiträgen oder Sendungen, die Argumentation geht nach hinten los. Und sie ist auch einfach falsch. Ein guter Journalist berichtet nicht dann gut, wenn er sich persönlich in die Situation des Gegenübers aus eigenem Erleben hineinfinden kann. Ein Journalist berichtet dann gut, wenn er sein Handwerkszeug versteht.